Endlich wieder Segeln
Endlich wieder Segeln

Endlich wieder Segeln

Unsere Maxi liegt seit knapp einer Woche wieder im Wasser, der Mast steht und ein sonniges Wochenende steht vor der Tür. Perfekt um endlich nach langen sechseinhalb Monaten die Segelsaison wieder zu eröffnen. Der Wind steht leider nicht so perfekt, bzw. es ist recht wenig vorhergesagt. Eigentlich auch gut, um nach der langen Pause wieder ein Gefühl für das Boot zu bekommen.

Es ist Freitag 17:00. Der Laptop wird zugeklappt. Feierabend. Jetzt schnell Sachen packen und ab auf’s Boot. Das erste Wochenende auf dem Boot wird allerdings kein reines Segelwochenende. Am Freitag Abend räumen wir auf und machen das Boot wieder wohnlich. Am Samstag helfen wir Freunden beim Umzug. Nach getaner Arbeit zurück am Boot ist es dann soweit. Um 20:00 steht die Sonne noch ein gutes Stück über dem Horizont und wir werfen die Leinen zum „Sundowner“ los. Wir fahren aus dem Hafen, der Sonne entgegen…und auch dem Wind. Wir kreuzen also im Zickzack gen Westen und finden schnell in die Routine des Segelns zurück. „Klar zur Wende?“ Groß dicht holen, Luv-Genuaschot auf die Winsch legen. „Ist klar“. „Wende“. Genua auf der neuen Lee Seite dichtholen und gemeinsam mit Großsegel trimmen. Die Abläufe funktionieren auch nach der gefühlt ewigen Winterpause reibungslos. Wir lassen uns die untergehende Sonne ins Gesicht scheinen und genießen jede Minute. Als die Sonne kurz nach neun hinter dem Horizont verschwindet, drehen wir um und machen uns auf den Rückweg der kleinen Runde in der Bucht vor unserem Hafen.

Ich hole die Segel ein und Hannah ist am Ruder. Ich frage ob sie das Anlegemanöver fahren will und bekomme ein selbstsicheres „Ja“ zur Antwort. Letztes Jahr bin ich meistens die An- und Ablegemanöver gefahren, dieses Jahr darf Hannah ran. Das Ziel ist, dass jeder von uns am Ende der Saison das Boot alleine bedienen kann. Der Wind ist abgeflaut, also perfekte Bedingungen, um das Anlegen zu trainieren. Es geht langsam an unserem Steg entlang, kurz vor der Box den Gang rausnehmen, dann nach Steuerbord lenken. Zuerst werden die Heckleinen festgemacht, dann die Bugleinen. Das Boot steht sauber mittig in der Box. Perfekt eingeparkt. Hut ab.

Jetzt wollen wir den Abend gemütlich an Bord ausklingen lassen und schließen als erstes den Landstrom an, damit die Batterie voll bleibt und wir unsere Heizung anschließen können. Nachts ist es doch noch ganz schön kalt. Als Hannah den Stecker am Steg ansteckt hört sie ein Paar, das vorbeigeht und sich über unser Boot unterhalten…auf deutsch? Ja, tatsächlich, auf deutsch. Hannah spricht sie natürlich an und fünf Minuten später sitzen wir bei Tee und Snacks bei uns im Salon und lassen uns erzählen wieso die zwei Berliner Heike und Frank in Göteborg ein Segelboot haben. Übrigens eine Maxi 68, also die kleine Schwester unserer Maxi 77. Vor 23 Jahren haben sie die Maxi zum ersten Mal gemietet. Nach einiger Zeit haben sie das Boot dann vom Besitzer übernommen. Seit 23 Jahren verbringen sie dort mehrere Wochen im Jahr, früher auch mit ihren drei Kindern. Unzählige Erinnerungen verbindet die Familie mit ihrer „Seagull“. Doch nicht nur das Segeln bringt die beiden nach Schweden. Sie erzählen von Freunden in Småland, die wie Oma und Opa für ihre Kinder sind und von Volvo Oldtimertreffen, welche sie jährlich besuchen meist auch mit ihrem eigenen 76er Volvo Duett. Richtige Schweden-Fans 🙂

Nach einer ruhigen Nacht werden wir am Sonntag morgen von der Wärme und dem Licht der Sonnenstrahlen geweckt. Es ist windstill und schon fast ein sommerlicher Morgen. Wunderbar für ein Frühstück an Deck. Herrlich. Während dessen checken wir die Wind-Vorhersage und überlegen wo wir hinsegeln wollen. Da wieder ein schwacher, westlicher Wind weht beschließen wir nicht so weit zu fahren, nur bis zur ca. 6 Meilen entfernten Insel Hyppeln. Der Plan steht, es wird nur noch kurz aufgeräumt und gespült. Ich lehne mich über Bord um die Teekanne mit dem losen Tee im Meer vorzuspülen und sage noch zu mir „Jetzt nichts fallen lassen“, da passiert es im selben Moment. Der Deckel entgleitet meiner Hand und sinkt langsam aber sicher Richtung Grund…Oh nein… „Naja, ist ja nur ein Deckel“, aber trotzdem ärgerlich. Doch was ist das? Ich sehe immer noch den schwarzen Kreis im Wasser offensichtlich auf dem Grund liegend. Das Wasser ist gar nicht so tief und relativ klar. Dann ist es doch einen Versuch wert ins Wasser zu gehen und einen Bergeversuch zu starten? Gesagt getan und tatsächlich liegt der Deckel nach ein paar Minuten wieder an Bord. Und richtig wach bin ich nach dem erfrischenden, halb-freiwilligen Bad im ca. 10 Grad warmen Wasser auf jeden Fall auch.

Mit etwas Verspätung geht es dann los Richtung Westen. Aufgrund der Windrichtung können wir nicht direkt Kurs auf Hyppeln nehmen, sondern kreuzen wie am Tag zuvor im Zickzack unserem Ziel entgegen. Nur kurzzeitig erreichen wir mehr als 5 Knoten Geschwindigkeit, die meiste Zeit sind wir zwischen 2,5 und 4,5 Knoten unterwegs. Aber es macht Spaß. Die Sonne scheint uns ins Gesicht. Es ist der perfekte Moment. Hinter uns taucht auf einmal die Silhouette eines bekannten Bootes auf. „Ist das sie Seagull?“ Ja, das ist sie. Noch unter Motor und auf direktem Kurs Richtung Hyppeln haben die beiden Berliner uns fast eingeholt, setzen dann aber auch die Segel. Direkt vor uns liegt jetzt ein etwas engeres Stück. Wir müssen durch einen ca. 300-500 m breiten Korridor von Inselchen, gespickt mit einigen Untiefen dazwischen. Frank und Heike wundern sich, dass wir da rein fahren, sie hatten geplant Außen herum zu fahren. „Wenn die da durch kommen, kommen wir auch durch“ hieß das Motto und sie folgten uns. Wenig später konnten wir mit eigenen Augen sehen wie gefährlich es sein kann hier unaufmerksam zu sein. Auf unserer Steuerbordseite kommt uns eine etwa 11m lange Segelyacht unter Motor entgegen. Wir schauen beide rüber und Hannah winkt. Im selben Moment tut es einen Schlag, die Yacht scheint einen kleinen Hüpfer zu machen, das ältere Paar an Bord wird durchgeschüttelt und aufgeschreckt. Ich schaue sofort auf die Karte an die Position der anderen Yacht. Tiefe: zwischen 0.7 und 3 Meter. Die Yacht ist gegen einen unterwasserliegenden Stein gefahren. Sie wird wahrscheinlich mit einem Kratzer und die Crew mit einem Schrecken davon kommen. Die Boote halten schon einiges aus, aber im schlimmsten Fall kann eine solche Grundberührung zu einem Riss im Rumpf und damit zu Wassereinbruch führen. Die Bedenken sind also berechtigt und es ist sehr wichtig immer die Karte im Auge zu behalten. Wir haben ja letztes Jahr auch schon so eine Begegnung mit einem Stein gehabt 😉

Um Punkt 15:00 legen wir im idyllischen Gästehafen von Hyppeln an. Jetzt haben wir uns unser verspätetes Mittagessen verdient. Es gibt Tortellini mit Sahnesoße, Tomaten und knusprigem Bacon. Pünktlich zum Essen legen Frank und Heike neben uns an. Gemeinsam genießen wir in unserem Cockpit eine kleine Potluck-Party mit Tortellini, Kartoffelsalat und Wiener Würstchen. Die Crew der Seagull macht sich schon vor uns auf den Weg, da sie am gleichen Abend noch die Rückreise nach Deutschland antreten. Wir bekommen von den beiden noch den Tipp den Aussichtspunkt der Insel zu erklimmen und tatsächlich, die Aussicht ist wunderschön. Östlich liegen Inseln und das Festland, im Norden und Süden unzählige kleinere Inseln und nach Westen sehen wir das offene Meer, bzw. Dänemark. Aber so weit reicht die Sicht dann doch nicht 😉

Nach dem Spaziergang über die Insel steht der Rückweg an, doch leider hat sich der Wind verabschiedet und wir legen die ganze Strecke unter Motor zurück. Auf dem Weg treffen wir wieder die Seagull, die unter Segel ohne nennenswerter Geschwindigkeit Richtung Osten treibt und eine Crew, die teilweise die Sonne genießt und teilweise noch am Boot arbeitet. Richtig eilig scheinen es die Beiden nicht zu haben wieder nach Deutschland zu fahren. Uns ist auch klar warum. Heute ist ein solcher Tag, von dem man sich wünscht, dass er nie zu Ende geht.

Es gibt nur zwei Arten von Seglern:

Solche die schonmal eine Grundberührung hatten – und solche, die sie noch haben werden.